472 Gemälde
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Max Liebermann
(1847 Berlin - 1935 ebenda)
Amsterdamer Gracht
Das mit weich-pastosem Duktus ausgeführte Gemälde gehört zu den wenigen Beispielen
der reinen Stadtansichten im Oeuvre des Impressionisten. Topografisch lassen sich sowohl
der Blick als auch der Standort des Malers genau bestimmen. Liebermann schildert hierin
einen Blick vom Damrak als einer der historischen Hauptachsen der Stadt über die Wasserfläche
des gleichnamigen hafenähnlichen Beckens auf die gegenüberliegende Zeile
hoher, pittoresker, alter Kaufmannshäuser. Im Hintergrund erhebt sich die Oude Kerk mit
seinem erkennbaren Dachfirst. Die Komposition mit seinem erhöhten Standpunkt und der
Bildausschnitt lassen darauf schließen, dass Liebermann in diesem Gemälde die Aussicht
aus einem Zimmer des erst wenige Jahre zuvor errichteten, luxuriösen Hotels Victoria festhielt.
Außer dem Ausblick selbst, faszinierte Liebermann offensichtlich der grafische und
farbliche Kontrast der schwarz-weiß gestrichenen Häusern mit ihren roten Ziegeldächern,
kolorisch belebt durch Blauakzente im Himmel und den gelben Aufbauten eines Bootes
im Vordergrund. Dieses Gemälde spiegelt zugleich die tiefe Verbundenheit Liebermanns
mit Amsterdam wider - der von ihm am meisten liebgewonnenen Stadt außer seiner Heimatstadt
Berlin. Nachdem er 1871 erstmals Amsterdam und Scheveningen besucht hatte,
waren ihm die Niederlande nicht nur künstlerisch zur zweiten Heimat geworden. Über
Jahrzehnte hielt er sich sommers mit seiner Familie an der holländischen Küste auf. In
Amsterdam selbst fand er die Motive für viele bedeutende Gemälde, Zeichnungen und
Grafiken, darunter seine bekannten Bilder aus dem Waisenhaus und dem jüdischen Viertel.
1876 bezog Liebermann ein Atelier im Haus der Kunsthandlung Buffa in Amsterdam,
in der er erste Ansichten von Straßen und Häusern ohne weitere Staffage schuf - darunter
das Gemälde „Giebel in Amsterdam“ und die Zeichnung „Judenviertel in Amsterdam“ (vgl.
Kat. „Max Liebermann in seiner Zeit“, Berlin u. München 1979/80, Nr. 25, 195). Solche
sich auf die Architektur beschränkenden Darstellungen blieben im Oeuvre Liebermanns
allerdings eine große Seltenheit, sein Hauptinteresse galt stets dem Leben und dem dichten
Gedränge der Menschen in der Stadt. Öl/Malkarton. L. u. mit Feder in Schwarz sign. u.
dat. 1898 mit Ortsangabe Amsterdam. 38 cm x 46 cm. Rahmen.
Das Werk wurde 2017 von Prof. Dr. Matthias Eberle, Berlin, in den Nachtrag des Werkverzeichnisses der
Gemälde und Ölstudien Max Liebermanns unter der Nummer 1898/17a aufgenommen.
Provenienz: Kunsthaus Bühler, Stuttgart; dort erworben und seit den 1970er Jahren in
deutscher Privatsammlung, Nordhein-Westfalen.
Oil on cardboard. Signed and dated 1898 with location Amsterdam. The painting was included 2017 in
the addendum of the catalogue raisonné by Prof. Dr. Matthias Eberle, Berlin.
€ 85.000,–