394 Gemälde
1162
Carl Spitzweg
(1808 München - 1885 ebenda)
Zigeuner im Wald
In einem dicht bewachsenen Hochwald unter einem vorkragenden Felsenvorsprung an einem Bach rastende,
kleine Gruppe von Zigeunern am Lagerfeuer, die von durch den dicht bewölkten Himmel hervorbrechenden
Sonnenstrahlen beschienen werden. Spitzweg hat das ihn faszinierende Motiv der Zigeuner bzw. des Fahrenden
Volkes in einer Werkreihe wichtiger Gemälde und Zeichnungen geschildert (vgl. Wichmann, Wvz.
1460-1466, 1469). Für den führenden Spitzweg-Experten Professor Dr. Siegfried Wichmann zählt dieses
um 1860 entstandene Gemälde „zu den besten Bildern des Zigeunerzyklus“, es ist überdies eine der frühesten
dokumentierten Darstellungen innerhalb seines Oeuvres. Spitzweg folgte den Zigeunern, deren freies
Leben, ihre Musikalität und Tänze ihn tief beeindruckten, suchte Kontakt zu ihrem „Rat der Ältesten“, um ihnen
sowohl in menschlich-empathischer als auch künstlerischer Weise näher zu kommen. Wie sehr er solche Zigeunermotive
schätzte, zeigt sich darin, dass er auch seinem Malerfreund Eduard Schleich d. Ä. ein solches
schenkte (Wichmann Wvz. 1461). Dieses Gemälde ist zugleich exemplarisch für die Meisterschaft Spitzwegs
in der Landschaftsmalerei, bei der er dem Betrachter einen authentischen, ersten poetischen Eindruck
von der einsamen, rauen Natur mit dem Bergwald aus hohen Fichten, dem bizarren Felsenvorsprung und
dem Geröll am Bach wiedergibt. Die Ursprünglichkeit der Natur entspricht hierin zugleich das dem Leben der
Zigeuner. Spitzweg verschrieb sich ab 1833 nach einer Tätigkeit als Apotheker ausschließlich der Malerei.
1835 wurde er Mitglied des Münchener Kunstvereins, 1868 Ehrenmitglied der Münchner Kunstakademie.
Ab 1840 stellte Spitzweg vielfach erfolgreich aus, neben Künstlerfreunden und dem Bürgertum gehörten auch
Kaiserin Elisabeth v. Österreich und Prinzregent Luitpold v. Bayern zu seinen Sammlern. Zunächst schilderte
er in kleinformatigen Genrebildern mit feinfühligem Humor, Ironie und grandioser Beobachtungsgabe das
biedermeierliche Leben und kauzige Sonderlinge wie in seinem berühmten Gemälde „Der arme Poet“. In
seinen späteren Werken wandte sich Spitzweg vermehrt der Landschaftsmalerei zu, beeinflusst insbesondere
durch den eng befreundeten Eduard Schleich d. Ä., der als bedeutender Wegbereiter der Freilichtmalerei
in Deutschland gilt. Mit ihm unternahm Spitzweg zahlreiche Reisen, u. a. 1851 nach Paris, wo die Schule
von Barbizon großen Eindruck auf die beiden Künstler machte. Auch in diesem Gemälde Spitzwegs ist eine
freiere, flächigere Malweise in der Darstellung des Geästes und der Felsen evident, bei der es Spitzweg
nicht mehr um die realistische Wiedergabe von Details, sondern um die Gesamtstimmung ging, die hier
durch das Licht gesteigert wird. Spitzwegs Malerei wurde in der Folge immer offener und lichtdurchfluteter,
die Figurenstaffage trat mehr und mehr zurück; er fand zu eigenen, fortschrittlichen, dem Impressionismus
den Weg ebnenden Tendenzen. Öl/Lwd., auf eine parkettierte Holztafel kaschiert. L. u. sign.; 46,2 cm x
35,1 cm. Rahmen.
Beigefügt: Expertise/Gutachten von Prof. Dr. Siegfried Wichmann, Starnberg, vom 16.06.2007; ausführliche Dokumentation in
Buchform von Prof. Dr. Siegfried Wichmann, Starnberg, 20.08.2006, vor: „Spitzweg. Zigeuner im Wald. Reihe für vergleichende
und angewandte Kunstgeschichte“.
Allgemeine Lit.: Siegfried Wichmann: „Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke“, Stuttgart, Belser Verlag, 2002.
Provenienz: Norddeutsche Privatsammlung.
Oil on canvas, laid down on cradled panel. Signed. Accompanied by an expertise by Professor Dr. Siegfried Wichmann (from
the 16th of June 2007) and an elaborate documentation published in book form (from the 20th of August 2006) by Professor Dr.
Siegfried Wichmann.
€ 170.000,–