616 Gemälde
1613
Pieter Brueghel der Jüngere
(1564 Brüssel - 1638 Antwerpen)
„Der dicke Bauer und der Händler“. Originaltitel
Dieses detailreich gemalte Tondo mit den beiden Figuren vor einer Dorfansicht spiegelt das bäuerliche Leben um 1600 wider und ist
zugleich eine humorvolle Illustration eines flämischen Sprichworts. Dargestellt ist ein feister Bauer, der auf einer Bank vor einem Haus
sitzt und zwei Kappen trägt. Skeptisch blickt er zu einem fahrenden Krämer mit geöffneten Bauchladen zu seiner linken Seite, der ihm
offensichtlich seine Waren - Flöten, Maultrommeln und Netze - anzupreisen versucht, denn er lässt ihm keinen Platz neben sich auf der
Bank. Die sich zeitgenössischen Betrachtern sofort erschließende Ikonographie lässt sich durch einen Stich von Hieronymus Wierix aus
dem Jahr 1573 nach der Komposition Brueghels deuten, da er dem Bild eine umrahmende niederländisch-flämische Erläuterung hinzufügte:
„Hier netten ende trompen ja oock schoon fluijten, Gheen beter ware men nu hier in d’landt en vindt. (/) Wech versiet u Cremere
loopt elders sluijten, Daer f’volvk noch is hoorende doof en siende blindt“. Diese macht klar, dass sich sogar ein tumber Bauer nicht auf
einen für ihn nachteiligen Handel einlässt. Auch die angebotenen Artikel spielen auf die unredlichen Absichten an: Netze, Flöten und
Maultrommeln sind Sinnbilder für das Einfangen eines Käufers, Schwindel und Täuschung. Klaus Ertz schreibt zu dem hier vorliegenden
Gemälde: „Von diesem sehr gut erhaltenen und detailreich gemalten Tondo sind mir, bei Pieter d. J. überaus selten, bisher nur wenige
Tondi-Varianten (...), von denen zwei identische Signaturen aufweisen, bekannt geworden. Die Vorlage dieses selten gemalten Themas
ist meiner Meinung nach nicht ein Bild des Vaters, Pieter Bruegel d. Ä., sondern eine Zeichnung des Sohnes selbst. Während bei allen
Versionen dieser Komposition die beiden Protagonisten im Vordergrund auf oder neben der Bank sitzen, ist der Hintergrund jedes Mal
ein anderer, obwohl der bäuerliche Grundton durch den dicken Bauer vorgegeben scheint: es sind belebte Dorfstraßen oder Alleen,
in denen die Menschen ihren alltäglichen Beschäftigungen nachgehen (...) Von den bisher bekannten Versionen dieses Themas ist ein
Bild vor 1616 (BRVEGHEL), das zweite nach 1616 signiert (BREVGHEL), was aufgrund der Buchstabenfolge zu erklären ist (...). Meiner
Meinung nach ist auch das zu begutachtende in die Zeit nach 1616 zu datieren, da die überwiegende Mehrzahl aller Sprichwörter
nach 1616 entstanden sind.“ Pieter Brueghel d. J. schuf eine größere Anzahl dieser kleinen Rundbilder, die offenbar großen Anklang bei
einem breiten Publikum fanden: Ertz führt in seiner Monographie 90 eigenhändige Tondi auf, von denen nur 29 signiert sind. Mit solchen
zwar kleinformatigen, aber für die Entwicklung der flämischen Kunst bedeutenden Tondi mit Sprichwörtern setzte er eine große Tradition
fort. Im Unterschied zu den eher moralisierenden und belehrenden Zügen in den Werken seines Vaters und den entfernten Götterwelten,
denen sich sein Bruder Jan widmete, ging es ihm stets um die Menschen in seiner nächsten Umgebung und deren sympathisch erfasste
Lebenswirklichkeit. Öl/Eichenholztafel. D. 16,5. cm. Rahmen.
Beigefügt: Gutachten von Dr. Klaus Ertz, 6. Juli 2021.
Allgemeine Lit.: Klaus Ertz: „Pieter Brueghel der Jüngere (1564-1637/38). Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog“, Lingen 2000.
Provenienz: Deutsche Privatsammlung.
Oil on oak panel. Accompanied by an expertise from Dr. Klaus Ertz, 6th of July 2021. € 46.000,–
1613 Ansicht der Rückseite.