536 Gemälde
1571
Lovis Corinth
(1858 Tapiau - 1925 Zandvoort)
„Weiblicher Halbakt im Sessel (Die Schauspielerin Gertrud Eysoldt)“.
Originaltitel
Lovis Corinth zählt zu den bedeutendsten und schaffensreichsten deutschen Malern der Moderne,
künstlerisch überaus vielseitig brillierte er in allen malerischen Gattungen und als Grafiker. Die Entstehungszeit
dieses Gemäldes im Jahr 1914 ist für Corinth eine Phase tiefer persönlicher und künstlerische
Umbrüche. Corinth wurde 1911 infolge des Rücktritts von Max Liebermann zum Präsidenten
der Berliner Secession gewählt, im gleichen Jahr erlitt er einen Schlaganfall, war halbseitig gelähmt
und wurde 1912 von Paul Cassirer als Präsident abgelöst. 1915 übernahm er erneut den Vorsitz der
Berliner Secession, nachdem mehrere Mitglieder die Berliner Secession verlassen und die „Freie Secession“
gegründet hatten. Das Gemälde „Weiblicher Halbakt im Sessel“, ein Porträt der Schauspielerin
Gertrud Eysoldt als Halbfigur, spiegelt seine ganze Virtuosität als Bildnismaler wider. Mit dynamisch
breitem, weich pastosem, impressionstischem Duktus schafft er eine sehr intime, sinnliche Aktdarstellung
der Schauspielerin, modelliert deren üppige weibliche Formen und Rundungen. Eysoldt, auf einem
Stuhl sitzend, wendet sich mit strahlendem Lachen dem Betrachter zu und spielt zugleich verlegen und
sinnierend mit einer langen Perlenkette, der Blick ihrer tiefblauen Augen wirkt verträumt; als leuchtenden
Farbakzent setzte Corinth ein rotes Tuch hinter ihre linke Schulter. Der kraftvolle, für Corinths spätes Oeuvre
charakteristische, furiose, gestische Malstil korrespondiert ganz mit dem temperamentvollen Wesen
Gertrud Eysoldts als eine der größten und erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen im Kaiserreich
und der Weimarer Republik, die Hauptrollen in Stücken von Ibsen, Hofmannsthal, Wedekind und
Strindberg an Theatern unter der Leitung bzw. der Regie von Max Reinhardts spielte. Eysoldt verkörperte
ideal den Typus „femme fatale“ wie die „Salome“, „Elektra“, „Lulu“ und „Penthesilea“. Schon früher
hatte die Schauspielerin Corinth Modell gestanden - 1902 bis 1904 arbeitete Corinth direkt mit Max
Reinhardt zusammen und schuf das Bühnenbild sowie die Kostüme für Hans Oberlaenders Inszenierung
der „Salomé“ von Oscar Wilde. 1903 schilderte Corinth sie in ihrer Rolle als „Salomé“ als geheimnisvolle,
diabolische Verführerin mit rotem Haar, orientalischem Kopfschmuck und dem Tablett mit dem
Kopf Johannes des Täufers (vgl. Berend-Corinth/ Hernad 252). Der mit Eysoldt befreundete Theaterkritiker
Wilhelm Ringelband stiftete zur Erinnerung an sie den Gertrud-Eysoldt-Ring, der seit 1986 für
hervorragende schauspielerische Leistungen an einem deutschsprachigen Theater von der Deutschen
Akademie der Darstellenden Künste vergeben wird. Es ist einer der bedeutendsten Theaterpreise, ihn
erhielten u. a. Ulrich Mühe, Rolf Boysen, Klaus-Maria Brandauer, Doris Schade, Nina Hoss, Corinna
Harfouch und Sophie Rois. Öl/Lwd. 80 cm x 62 cm . L. o. sign. u. dat. 1914. Rahmen.
Aufgeführt im Wvz. Berend-Corinth/Hernad 1000.
Ausstellung: Orangerie ’86, Deutscher Kunsthandel im Schloß Charlottenburg, Berlin, 1986, Abb. S. 160.
Lit. u. Abbildungen: Weltkunst, Jg. 36, Nr. 6, 1966, Farbabb. (Titelblatt); Hauswedell & Nolte, Hamburg, 2. Juni 1976,
Nr. 247 mit Farbabb.; Weltkunst, Nr. 22, 1986, Farbabb. S. 3557; Hauswedell & Nolte, Hamburg, 9. Juni 1986, Nr.
193 mit Abb.; Asta von Bethmann-Hollweg, Volker Westphal - 25 Jahre Kunsthandel in Berlin 1966-1991, Berlin 1991,
S. 144 mit ganzs. Farbabb.
Provenienz: Kunsthandlung Hofer; Galerie Interkunst, München; Galerie Volker Westphal, Berlin;
Privatsammlung, Niedersachsen.
Oil on canvas. Signed and dated 1914. Mentioned in the catalogue raisonné.
€ 135.000,–