360 Altes Porzellan - Teil 1
962 Rückansicht.
962 Entw. Ernst August Leuteritz. Meissen. Um 1880.
962
Seltenes museales Historismus-Lavabo mit mythologischen Motiven
2-tlg.; Flach gemuldete Schale, mittig mit aufsteigendem, profiliertem Postament für eine Henkelkanne.
Auf hochgezogenem Rundfuß mit Nodus spitzovoider Kannenkorpus mit gerundeter Schulter, in
einschwingenden Hals und weit ausgestellter Mündung mit kurzem Schnabelausguss übergehend.
Seitlich hochgezogener, bandartiger Volutenhenkel mit goldradierter Manschette, am Ansatz aus
einem reliefplastisch aufgelegten Maskaronkopf emporragend. Auf dem mittleren Wandungsteil zarttoniger
Dekor aus mythologischen Darstellungen und Renaissanceornamenten, unterhalb begrenzt
von umlaufendem Wellenfries. Zwischen großen, eingerollten Akanthusranken und schwebenden
Amoretten, auf der Schauseite große Darstellung der auf einer Muschel stehenden Venus in Anlehnung
an Sandro Botticellis „Geburt der Venus“, flankiert von Motiven eines Tritons mit Nereide
(stilistisch auch an „Nessos mit Deijanira“ orientierend) bzw. Delphinen. Rückseitig schlangenbeinige
Chimäre mit Doppelflöte. Im Spiegel eingezogene Reservenrahmungen mit Grotesken in Gestalt von
Frauenköpfen, verbunden durch feinlinige Arabesken, die vier Elemente Luft, Feuer, Erde und Wasser
symbolisierend. Im Wechsel mit Rundmedaillons, Amoretten mit Lyra, Blitz, Füllhorn bzw. Dreizack auf
kobaltblauem Fond, in stilistischer Anlehnung an Limosiner Emailarbeiten wiedergebend. Umlaufend
verschiedenartige Ornamentbordüren und farbige Fondfelder in feinem Verlauf. Polychrome Malerei
mit teilw. reliefartigem und radiertem Golddekor. Entw. Ernst August Leuteritz, um 1870 – 1880.
Schwertermarke. Ges.-H. 49 cm. Schalen-D. 39 cm.
Prachtvolles, repräsentatives Schau- und Glanzstück der Meissener Dekorationskunst, das nicht nur durch die meisterhafte,
detailreich ausgeführte Malerei aus harmonisierenden, zart abgestuften Farbkombinationen sondern zudem durch die feinen,
nuancenreichen Farbübergänge mit edlen Goldakzentuierungen überzeugt. Formal und stilistisch steht das Ensemble
gänzlich in der Tradition der im 19. Jh. aufkommenden Neorenaissance und erinnert an die Malerei italienischer und
französischer Fayencegefäße mit Arabesken, Grotesken und antikisierenden Motiven. Den Höhepunkt erreichte diese
Renaissance-Manie vor allem auf den Weltausstellungen 1867 und 1873. Der Meissener Modelleur Ernst August Leuteritz
(1818 – 1893) ließ sich während seiner Besuche auf den Weltausstellungen in London und Paris von den vorherrschenden
Stilen und technischen Neuheiten inspirieren. Er regte nicht zuletzt zum Umdenken in Bezug auf die Masseherstellung,
Farbrezepturen und Brennvorgänge an.
Für die Ausformung dieses Ensembles fertigte er 1876 eine aquarellierte Entwurfsskizze (Historische Sammlung, Inv.-Nr. VA
6156). Eine identische Ausführung befindet sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (Inv.-Nr. PE 3488).
Vgl. Kat. Kunst oder Kommerz?, Meissener Porzellan im 19. Jh., S. 101 Abb. 23f.; Mundt, Historismus. Kunstgewerbe
zwischen Biedermeier und Jugendstil, S. 50f.; Mundt, Kat. Historismus. Kunsthandwerk, Nr. 114ff.; Siemen, All nations
are welcome, Porzellan der Weltausstellungen, S. 44.
A rare two-piece Historism porcelain lavabo including jug and bowl finely painted with mythological motifs between cupids
and scrollwork as well as rich decor of renaissance-like ornaments, grotesques and putti. Crossed swords mark.
Meissen. Um 1880.
€ 85.000,–